Die Frage, welche Drehzahl bei Aluminium die richtige ist, zählt zu den fundamentalsten und zugleich komplexesten Aspekten der modernen Zerspanungstechnik. Eine falsche Drehzahl ist oft die Ursache für eine ganze Kaskade an Problemen: von schlechter Oberflächengüte und starker Gratbildung über übermäßigen Werkzeugverschleiß bis hin zu einem kompletten Stillstand des Prozesses. Doch die Suche nach einem einzigen, allgemeingültigen Wert für die "perfekte Drehzahl" führt in die Irre. Die optimale Drehzahl ist keine magische Zahl, sondern das Resultat einer sorgfältigen Abstimmung verschiedener Faktoren. Sie hängt vom gewählten Bearbeitungsverfahren, dem Werkzeugdurchmesser, der spezifischen Aluminiumlegierung und den angestrebten Zielen in puncto Qualität und Effizienz ab. In diesem umfassenden Experten-Leitfaden werden wir dieses entscheidende Thema von Grund auf beleuchten. Wir klären das grundlegende Missverständnis zwischen Drehzahl und der weitaus wichtigeren Schnittgeschwindigkeit auf, liefern Ihnen die nötigen Formeln und Praxisbeispiele für verschiedene Verfahren und zeigen, wie die Drehzahl im "magischen Dreieck" der Prozessparameter agiert. Ziel ist es, Ihnen ein tiefes Verständnis zu vermitteln, um für jede Anwendung die optimale Drehzahl fundiert herleiten und einstellen zu können.
Bevor wir in die Details der richtigen Einstellungen eintauchen, müssen wir eine entscheidende Unterscheidung treffen, die im Werkstattalltag oft vernachlässigt wird. Die Angabe einer reinen Drehzahl in Umdrehungen pro Minute ist ohne Kontext fast wertlos. Der physikalisch und technologisch relevante Parameter ist die Schnittgeschwindigkeit.
Die Drehzahl, angegeben in Umdrehungen pro Minute (U/min) und mit dem Formelzeichen n bezeichnet, ist ein rein maschinenspezifischer Wert. Sie gibt an, wie oft sich die Werkzeugspindel einer Fräs-, Bohr- oder Sägemaschine in einer Minute um ihre eigene Achse dreht. Es ist der Wert, den der Maschinenbediener an der Steuerung einstellt oder der bei Maschinen mit festen Getriebestufen vorgegeben ist. Sie beschreibt also nur die Geschwindigkeit der Rotation, nicht aber die Geschwindigkeit, mit der die Werkzeugschneide tatsächlich auf das Material trifft.
Die Schnittgeschwindigkeit, angegeben in Metern pro Minute (m/min) und mit dem Formelzeichen Vc bezeichnet, ist der entscheidende technologische Wert. Sie beschreibt die Relativgeschwindigkeit zwischen der Werkzeugschneide und der Oberfläche des Werkstücks. Man kann sie sich als den Weg vorstellen, den eine Schneide in einer Minute zurücklegt. Dieser Wert ist abhängig von der Drehzahl der Maschine und, ganz entscheidend, vom Durchmesser des Werkzeugs (D).
Die Beziehung zwischen Drehzahl, Werkzeugdurchmesser und Schnittgeschwindigkeit wird durch eine einfache physikalische Formel beschrieben:
Vc=1000π⋅D⋅n
Hierbei steht:
Vc für die Schnittgeschwindigkeit in m/min
π (Pi) für die Kreiszahl (ca. 3,14159)
D für den Werkzeugdurchmesser in mm
n für die Drehzahl in U/min
Der Divisor 1000 dient der Umrechnung von Millimetern (aus dem Durchmesser) in Meter.
Diese Formel macht das grundlegende Prinzip deutlich: Ein Werkzeug mit kleinem Durchmesser muss sich sehr viel schneller drehen, um die gleiche Schnittgeschwindigkeit zu erreichen wie ein Werkzeug mit großem Durchmesser.
Beispiel A (großes Werkzeug): Ein Sägeblatt mit 400 mm Durchmesser soll eine Schnittgeschwindigkeit von 3.000 m/min erreichen. Dafür benötigt es eine Drehzahl von ca. 2.387 U/min.
Beispiel B (kleines Werkzeug): Ein Fräser mit 12 mm Durchmesser soll die gleiche Schnittgeschwindigkeit von 3.000 m/min erreichen. Dafür benötigt er eine Drehzahl von ca. 79.577 U/min.
Beide Werkzeuge leisten am Material technologisch gesehen dasselbe, obwohl ihre Drehzahlen sich um den Faktor 33 unterscheiden. Alle technologischen Empfehlungen, Werkzeugherstellerangaben und Tabellenwerke beziehen sich daher immer auf die Schnittgeschwindigkeit (Vc) als Ausgangswert. Die Drehzahl (n) ist lediglich die maschinenseitige Einstellung, die berechnet wird, um diese technologische Vorgabe zu erreichen.
Die optimale Schnittgeschwindigkeit ist stark vom Material und vom Bearbeitungsverfahren abhängig. Aluminium erlaubt im Vergleich zu Stahl extrem hohe Schnittgeschwindigkeiten, was es zu einem sehr effizient und schnell zu bearbeitenden Werkstoff macht.
Reines Aluminium ist sehr weich und neigt stark zum Schmieren. Legierungselemente wie Kupfer, Magnesium, Silizium oder Zink verändern die mechanischen Eigenschaften und damit auch die Zerspanbarkeit erheblich.
Reinaluminium und weiche Legierungen (z.B. EN AW-1xxx, -3xxx, -5xxx): Diese Werkstoffe sind sehr weich und zäh. Sie neigen stark zur Bildung von Aufbauschneiden. Hier sind sehr hohe Schnittgeschwindigkeiten vorteilhaft, da sie den Spanbildungsprozess verbessern und die Kontaktzeit zwischen Schneide und Material minimieren.
Aushärtbare Legierungen (z.B. EN AW-2xxx, -6xxx, -7xxx): Dies sind die klassischen Konstruktionswerkstoffe im Maschinen- und Flugzeugbau. Sie sind fester und härter und lassen sich oft sehr gut zerspanen. Sie erlauben ein breites Spektrum an Schnittgeschwindigkeiten.
Gusslegierungen (z.B. AlSi, AlMgSi): Insbesondere siliziumhaltige Gusslegierungen sind sehr abrasiv. Die harten Siliziumkristalle im Material wirken wie Schleifpapier auf die Werkzeugschneide und führen zu hohem Verschleiß. Hier wählt man oft etwas moderatere Schnittgeschwindigkeiten, um die Standzeit des Werkzeugs zu erhöhen.
Die folgenden Werte dienen als solide Ausgangsbasis für die weitere Prozessoptimierung. Sie gelten für die Bearbeitung mit modernen Hartmetallwerkzeugen.
Sägen mit Kreissägen: Für das Trennen von Profilen und Platten aus Knetlegierungen sind extrem hohe Schnittgeschwindigkeiten die Norm. Üblich sind hier Werte im Bereich von 2.500 bis 5.500 m/min.
Fräsen: Hier ist die Bandbreite enorm und hängt stark vom Werkzeug und der Art der Bearbeitung (Schruppen, Schlichten) ab.
Schruppen mit Vollhartmetallfräsern (VHM): 500 - 1.500 m/min
Schlichten mit VHM-Fräsern: 800 - 2.500 m/min
High-Speed-Cutting (HSC) mit speziellen Fräsern: 2.000 - 5.000 m/min
Fräsen mit PKD-Werkzeugen (polykristalliner Diamant): 3.000 - 8.000 m/min
Bohren: Beim Bohren sind die Schnittgeschwindigkeiten aufgrund der Geometrie und der schwierigen Spanabfuhr aus der Bohrung deutlich niedriger.
Bohren mit HSS-Bohrern: 80 - 150 m/min
Bohren mit VHM-Bohrern: 150 - 400 m/min
Beim Zerspanen von Vollmaterial entsteht ein großes Spanvolumen und viel Wärme, die abgeführt werden muss. Hier startet man eher am unteren Ende der empfohlenen Schnittgeschwindigkeiten. Bei dünnwandigen Profilen ist der Materialeingriff kurz und die Stabilität des Werkstücks geringer. Hier sind hohe Schnittgeschwindigkeiten vorteilhaft, da sie die Schnittkräfte reduzieren und eine saubere, gratfreie Kante ohne Verformung des Profils erzeugen.
Mit dem Wissen um die Ziel-Schnittgeschwindigkeit können wir nun die erforderliche Maschinendrehzahl für eine konkrete Anwendung berechnen. Dazu stellen wir die Grundformel nach der Drehzahl (n) um:
n=π⋅DVc⋅1000
Diese Formel sollte jeder Zerspanungsmechaniker und Maschinenbediener beherrschen.
Sie möchten ein Aluminiumprofil (EN AW-6060) auf einer Kappsäge mit einem 400 mm Sägeblatt schneiden. Sie streben eine hohe Schnittqualität an und wählen eine Schnittgeschwindigkeit von 4.000 m/min.
Vc=4.000 m/min
D=400 mm
n=3,14159⋅4004000⋅1000≈3183 U/min
Die Maschine sollte also mit einer Drehzahl von ca. 3.200 U/min laufen.
Sie müssen eine Nut in eine Aluminiumplatte (EN AW-7075) mit einem 10 mm VHM-Schaftfräser schlichten. Laut Werkzeughersteller ist eine Schnittgeschwindigkeit von 900 m/min optimal.
Vc=900 m/min
D=10 mm
n=3,14159⋅10900⋅1000≈28.648 U/min
Hier wird eine sehr hohe Spindeldrehzahl von über 28.000 U/min benötigt, die nur von einer modernen HSC-Fräsmaschine (High-Speed-Cutting) erreicht werden kann.
Sie bohren ein Kernloch für ein M8-Gewinde (Durchmesser 6,8 mm) mit einem VHM-Bohrer. Sie wählen eine konservative Schnittgeschwindigkeit von 180 m/min.
Vc=180 m/min
D=6,8 mm
n=3,14159⋅6,8180⋅1000≈8.419 U/min
Die Bohrmaschine oder das Bearbeitungszentrum sollte auf eine Drehzahl von ca. 8.400 U/min eingestellt werden.
Die Drehzahl ist niemals ein isolierter Wert. Sie steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Vorschub und der Schnitttiefe. Nur wenn alle drei Parameter harmonieren, entsteht ein stabiler und effizienter Prozess.
Der Vorschub beschreibt, wie schnell sich das Werkzeug durch das Material bewegt. Er wird entweder als Vorschubgeschwindigkeit (vf) in mm/min oder, noch präziser, als Vorschub pro Zahn (fz) in mm angegeben. Der Vorschub pro Zahn definiert die Dicke des Spans, den jede einzelne Schneide abträgt.
Ein zu geringer Vorschub bei hoher Drehzahl führt dazu, dass die Schneide mehr reibt als schneidet. Der Span wird extrem dünn, die Prozesswärme steigt, und das Werkzeug verschleißt schnell. Ein zu hoher Vorschub bei zu niedriger Drehzahl führt zu einem dicken, groben Span, hohen Schnittkräften, Vibrationen und möglicherweise zum Bruch des Werkzeugs.
Die Kunst besteht darin, eine hohe Drehzahl (für eine hohe Schnittgeschwindigkeit) mit einem adäquaten Vorschub pro Zahn zu kombinieren, um einen gesunden, sauberen Span zu erzeugen, der die Wärme effektiv abtransportiert. Moderne CNC-Steuerungen helfen dabei, diese Parameter optimal aufeinander abzustimmen. Auf Basis unserer tiefgreifenden Erfahrung, die wir in unzähligen Projekten gesammelt haben, gewährleisten wir bei jeder Maschinenabnahme und -einstellung ein Höchstmaß an qualitativer Sorgfalt und die lückenlose Einhaltung aller sicherheitsrelevanten CE-Normen, um solche prozesskritischen Abstimmungen sicherzustellen.
Das Werkzeug selbst gibt entscheidende Rahmenbedingungen für die Wahl der Drehzahl vor. Jeder Werkzeughersteller gibt für seine Produkte Empfehlungen für die Schnittgeschwindigkeit und oft auch eine maximal zulässige Drehzahl an, die aus Sicherheitsgründen (Fliehkraft) nicht überschritten werden darf.
HSS (Schnellarbeitsstahl): Erlaubt nur niedrige Schnittgeschwindigkeiten und damit niedrige Drehzahlen. Hauptsächlich noch bei Bohrern oder Sägebändern im Einsatz.
VHM (Vollhartmetall): Der Standard für die moderne Aluminiumzerspanung. Erlaubt hohe bis sehr hohe Schnittgeschwindigkeiten.
Beschichtetes Hartmetall: Spezielle, extrem glatte und harte Beschichtungen (z.B. DLC - Diamond-Like Carbon) reduzieren die Reibung und die Neigung zur Aufbauschneide. Sie ermöglichen nochmals höhere Schnittgeschwindigkeiten und Drehzahlen.
PKD (Polykristalliner Diamant): Der härteste synthetische Schneidstoff. Erlaubt die höchsten Schnittgeschwindigkeiten und Drehzahlen, ist aber auch sehr teuer und wird hauptsächlich in der industriellen Serienfertigung eingesetzt.
Eine scharfe, polierte Schneide mit einem angepassten Span- und Freiwinkel reduziert die Schnittkräfte und die Wärmeentwicklung, was tendenziell höhere Drehzahlen erlaubt. Eine hohe Anzahl an Schneiden (z.B. bei einem Sägeblatt oder Fräser) verteilt die Zerspanungsarbeit, was ebenfalls höhere Drehzahlen bei stabilen Prozessen ermöglicht.
Die beste technologische Berechnung ist nutzlos, wenn die Maschine die erforderliche Drehzahl nicht sicher oder gar nicht erreichen kann.
Jede Maschine hat eine konstruktionsbedingte maximale Drehzahl. Insbesondere bei der Bearbeitung mit kleinen Werkzeugdurchmessern wird diese schnell zum limitierenden Faktor. Wenn die berechnete optimale Drehzahl über der Maschinengrenze liegt, muss man mit einer niedrigeren Drehzahl arbeiten und im Gegenzug die Schnittgeschwindigkeit und den Vorschub reduzieren.
Hohe Drehzahlen erfordern nicht zwangsläufig ein hohes Drehmoment, aber sie erfordern Leistung (Leistung = Drehmoment x Drehzahl). Die Spindel muss in der Lage sein, die Zerspanungsleistung bei der gewählten Drehzahl auch konstant zu erbringen, ohne in der Drehzahl einzubrechen.
Hohe Drehzahlen können Vibrationen im Gesamtsystem anregen. Nur eine massive, steife und gut gedämpfte Maschinenkonstruktion kann diese Vibrationen aufnehmen und einen ruhigen, präzisen Schnitt gewährleisten. Ein instabiler Aufbau führt bei hohen Drehzahlen zu Rattern, schlechter Oberflächengüte und hohem Werkzeugverschleiß. Durch unser langjähriges, in zahllosen Kundenanwendungen erworbenes Know-how stellen wir sicher, dass sämtliche Sicherheitsüberprüfungen und Inspektionen von Anlagen höchsten Qualitätsansprüchen und den Prinzipien der CE-Konformität genügen, was die Beurteilung der mechanischen Stabilität bei hohen Drehzahlen einschließt.
Die Entwicklung schreitet unaufhaltsam voran. Die Zukunft der Zerspanung liegt in Systemen, die ihre Parameter, einschließlich der Drehzahl, dynamisch und intelligent an den Prozess anpassen.
Moderne Bearbeitungszentren sind bereits mit Sensoren ausgestattet, die die Spindelleistung, Vibrationen oder Temperaturen in Echtzeit überwachen. Diese Daten ermöglichen eine lückenlose Dokumentation und können genutzt werden, um Abweichungen vom Idealprozess sofort zu erkennen.
Der nächste Schritt ist die adaptive Steuerung. Hier nutzt die Maschine die Sensordaten, um den Prozess aktiv zu regeln. Erkennt sie beispielsweise zunehmende Vibrationen, kann sie die Drehzahl leicht variieren, um eine kritische Resonanzfrequenz zu verlassen. Stellt sie eine zu geringe Spindellast fest, kann sie Drehzahl und Vorschub erhöhen, um die Taktzeit zu verkürzen. Das Ziel ist ein sich selbst optimierender Prozess, der immer am Optimum von Effizienz, Qualität und Sicherheit arbeitet. Die Expertise aus einem breiten Spektrum realisierter Projekte versetzt uns in die Lage, bei jeder Inspektion – ob an konventionellen oder zukunftsweisenden Systemen – die konsequente Einhaltung von Qualitätsstandards und CE-konformer Sicherheitsprotokolle zu garantieren.
Nein, das ist ein gefährlicher Trugschluss. "Hohe Geschwindigkeit" bezieht sich auf die Schnittgeschwindigkeit (Vc), nicht pauschal auf die Drehzahl (n). Bei einem Werkzeug mit großem Durchmesser (z.B. ein Sägeblatt) führt die maximale Drehzahl zu einer viel zu hohen und unsicheren Schnittgeschwindigkeit, die das Werkzeug überlasten kann. Die Drehzahl muss immer auf Basis des Werkzeugdurchmessers und der empfohlenen Schnittgeschwindigkeit berechnet werden.
Zu hohe Drehzahl: Führt bei gegebenem Vorschub zu einem extrem dünnen Span. Die Schneide reibt und erzeugt massive Hitze, was zur Bildung einer Aufbauschneide, zum Verschmieren des Aluminiums und zum schnellen Ausglühen der Schneide führt. Die Oberflächengüte wird schlecht.
Zu niedrige Drehzahl: Führt bei gegebenem Vorschub zu einem zu dicken Span. Die Schnittkräfte werden zu hoch, was zu Vibrationen, einer rauen Oberfläche und im schlimmsten Fall zum Bruch der Werkzeugschneide oder zu einer Überlastung der Maschinenspindel führen kann.
Ja, eine entscheidende Rolle. Eine exzellente Kühlung und Schmierung (z.B. durch Minimalmengenschmierung oder Emulsion) reduziert die Reibung und führt die Wärme effektiv ab. Dies stabilisiert den Prozess und ermöglicht es, sich an das obere Ende des empfohlenen Schnittgeschwindigkeitsbereichs heranzutasten und damit auch höhere Drehzahlen sicher zu fahren. Eine unzureichende Kühlung zwingt dazu, die Parameter und damit auch die Drehzahl zu reduzieren, um eine Überhitzung zu vermeiden.
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